Freitag, 6. April 2007

Abstiegskampf

Abstiegskampf

Wie weit muss die Liebe zum Fußball gehen?

Vor kurzem strahlte der Sender RTL II die „erste Fußball-Soap für Frauen“ aus.
16 Antisportler, welche ihren Lebtag noch nie gegen einen Ball getreten hatten, sollten innerhalb von zehn Wochen von einem Kompetenzteam, dem
ein gewisser Herr Matthäus vorstände, zu gestandenen Fußballern gemacht werden.

Über jenen Herrn Matthäus schreibt denn auch die Website der Bananenborussen:
„Nur ganz wenige andere Fußballspieler weltweit können auf eine ähnlich brilliante Karriere verweisen wie Lothar Matthäus.

Mit dem FC Bayern München wurde er dreimal Deutscher Meister, um schließlich die Deutsche Nationalmannschaft als Kapitän zur Weltmeisterschaft zu führen. Seit dem Ende seiner Profikarriere im Jahr 2000 ist er ein international erfolgreicher Trainer.“

So weit so gut, doch was reitet ihn, sich inzwischen bei jedem freiwerdenden Job in der Bundesliga oder im erweiterten
Bereich des DFB zu bewerben, unterschwellig ins Gespräch zu bringen, oder gar vollkommen plump aufzudrängen? Geltungssucht? Die Erinnerung an „alte Zeiten“? Oder einfach nur die innerste Überzeugung, dass er der (einzig) Richtige für diesen, jeden Job sei?!

Bekommen hat er diese Stellen nur sehr selten. Manchmal verdarben ihm sogar die Fans (wie unlängst beim 1. FC Nürnberg) ein Engagement. Und dennoch steht da dieser Mann mit seinem unglaublichen Selbstbewusstsein, einer äußerlichen Gelassenheit, als hätte man ihm gerade einen unkündbaren Vertrag bei der Selecao angeboten.

Jener Lothar Matthäus also erklärte sich im Sommer bereit, neben seiner anscheinend nicht tagesfüllenden Aufgabe als ungarischer Nationaltrainer, eine Mannschaft aus diesen Bananen zu formen, sie zu echten Fußballern zu machen.

Nicht, dass dieses Unterfangen nicht schon mit gemäßigten Hobbyfußballern zur Tortur geworden wäre, doch in dieser Sendung sollte dem Zuschauer offensichtlich gezeigt werden, dass ein Trainer wie Matthäus. . . Wir sollten sehen. Jeder Spieler könne, in Kombination mit seinem ebenfalls grandios gewachsenen Team am Ende der Staffel in einem „echten“ Fußballspiel gegen den glorreichen FC St. Pauli bestehen und dies, ohne sich oder jemand anderem das Genick zu brechen.

Nun, dem war nicht so. Zwar gab es tatsächlich nur sehr wenige Kreuzbandrisse und nahezu keine Genickbrüche, doch war der tatsächliche sportliche Erfolg recht beschränkt. Immerhin gelang es Matthäus' Team, zwei Tore in Hamburg zu erzielen. Das Spiel ging dennoch verloren.

Bleibt die Frage: Wer braucht so etwas?

Zugegeben: Auch ich habe mir die ersten Schritte der Fußballkinder genüsslich und nicht ohne eine Portion Schadenfreude
angesehen. Sie waren einfach zu süß, wie sie über das Feld tapsten, als läge der Zeitpunkt ihrer Geburt nur um wenige Minuten hinter dem der ersten Drehgenehmigung. Auch fand ich es grandios, wie man nach nur einem Tag Training mit dem ungarischen Nationaltrainer immerhin gegen eine gestandene Damenmannschaft zu einer Torchance kommen kann und dabei nur fünf Gegentore Spiel zuzulassen.

Die Bananen trainierten mit ausgewachsenen Sportgrößen aus allen Bereichen, traten gegen bärenstarke Footballer an und lernten, sich gewitzt und mehr oder minder erfolgreich („Bei uns steht der Vordergrund im Spaß“ Christian, 22, Koch) in der Medienwelt zu produzieren, wie es sich für einen echten „Star“ gehört. Es wurde gar, ganz wie es sich für herausstechende Mannschaften zu Weltmeisterschaften gehört, eine CD eingespielt, auf der auch Trainer Matthäus seine gewaltige Stimme sprechen ließ - ähnlich erfolgreich, wie zu seinen Spielerzeiten. . .

Durch den neu gewonnenen Ruhm durften die „Bananas“ auf Promi-Partys, erlebten, wie es ist wenn man
„Fans“ hat, knüpften zarte Bande zu dem zerbrechlichen Geschlecht und mussten lernen: Wer feiern kann, kann auch arbeiten; will heißen: Nach durchzechter Nacht trainiert es sich nicht immer mit Freude.

Aber die große Frage steht noch im Raum: Hat dies, und wenn ja, was, mit dem Sport zu tun, den wir alle unter dem Begriff Fußball kennen. Ein jeder Trainer vor dem Bildschirm schüttelt den Kopf. Jedweder, auch mit noch so viel überflüssigen Kilos ausgestattete Aushilfskicker glaubt, er könne jeden einzelnen dieser Spieler auf Friedrich Merzens Bierdeckel austanzen.

Es ist doch kein Fußball, wenn sich Menschen nahezu jeden bewegungsfähigen Alters zusammenrotten um sich so offensichtlich lächerlich zu machen. Es geht hierbei noch nicht einmal darum, dass die armen Hirnakrobaten und Couchsportler etwa für ihr „Nichtkönnen“ verteufelt werden sollen. Es ist einfach so, dass man sich fragen muss: Wer oder was kann aus einem Marcello Pletsch, trotz gleicher Fußpräferenz, einen Roberto Carlos machen? Wer macht aus einem Carsten Jancker einen Ronaldo?
Lothar Matthäus?
Gott?

Unser Lothar schien es sich zuzutrauen und genau das ist es, was ihn letztlich auszeichnet: Lothar traut sich alles zu! Er übernimmt Vereinsmannschaften, schließt sich daraufhin einem nationalen Verband an, um diesen zu einem internationalen Turnier zu führen, gleichzeitig trainiert er eine Mannschaft von Bewegungslegasthenikern, nur, um sich wenige Wochen später vollkommen davon zu distanzieren, dass er eine bestimmte Bundesligamannschaft trainieren möchte; oder eben auch nicht.

Es ist typisch für Matthäus, dass er sich eben in keine Schublade drängen lässt, er hält sich jedwede Option offen. Man mag ihn mögen oder auch nicht, aber man kann ihm sicher nicht vorwerfen, dass er feige wäre. Dieser Mann hat schon immer genau das gemacht, was er für das Beste hielt. Ihn kümmerte wenig, ob das "Dem deutschen Volke" gefiel. Matthäus macht, was ihm gefällt. Natürlich legt er sich dabei mit diversen Offiziellen, ehemaligen Spielerkollegen, Bundestrainern oder wem auch immer an. Es interessiert ihn nicht. Ecken und Kanten, selbstdarstellerisch geordnet zu einem "Kunstwerk" namens
Lothar Matthäus. Ein deutscher Fußballstar. Wisster bescheid. . .

Sebastian Derix, www.fussballperspektiven.de

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